Martha Westhoff-Rippel berichtet aus Belleville

Ich will nach Kanada!! Das wusste ich spätestens im Frühjahr. Dass ich für ein paar Monate in einem anderen Land leben möchte, war mir schon früher klar, aber nachdem ich mich umgehört hatte, wusste ich, dass es Kanada werden sollte. Meine beste Freundin war in Kingston/ Ontario für vier Monate zur Schule gegangen und war begeistert. Sie empfahl mir auch, mich bei GIVE anzumelden. ALSO LOS!

3. September: Es ging los. Ich hatte schlecht geschlafen aber war für nichts anderes bereit, als mich jetzt in dieses Flugzeug nach Toronto zu setzen. Die Organisation war toll. Nach Verabschiedung von meinen Eltern, Flug und anschließender Fahrt nach Belleville/ Ontario stand ich also das erste Mal meinen Gasteltern gegenüber. Deana und Tom waren nett und ließen mir Zeit mich an alles zu gewöhnen. Die ersten Tage fühlt man sich noch etwas einsam, weil die Schule noch nicht anfängt und man mehr oder weniger zu Hause festsitzt. Zumindest war das so bei mir. Aber meine Gasteltern zeigten mir Belleville (eine typisch kanadische Kleinstadt), wir waren zum Barbecue bei Nachbarn und ich lebte mich langsam ein.

Vier Tage später also mein erster Schultag! Mit dem gelben Schulbus ging es zur Bayside Secondary School. Mir wurde alles erklärt, ich konnte meinen Stundenplan zusammenstellen und hatte meine ersten Unterrichtsstunden auf einer kanadischen High- School. Die ersten paar Schultage sind nicht einfach. Natürlich ist man in gewisser Weise etwas Besonderes und die Leute sprechen dich an und wollen wissen, wo du herkommst. Aber ich fühlte mich schon noch etwas allein.

Doch das änderte sich als ich Stephanie kennenlernte. Sie war zwei Jahre älter als ich aber wir verstanden und super. Sie fragte mich, ob ich die Lunch- Stunde mit ihr und ihrer Freundin Kaylea verbringen möchte. Somit hatte ich meine beiden absoluten Vertrauenspersonen für die nächsten Monate in Kanada kennengelernt. Sie nahmen mich überall hin mit. Auf Partys, nach Kingston zum Shoppen etc. Es entwickelte sich eine unglaublich tiefe Freundschaft und durch die beiden habe ich auch andere Leute gut kennengelernt und andere tolle Freundschaften sind entstanden.

Diese Freundschaft war sehr wichtig. Zum einen natürlich, weil ich Menschen hatte, denen ich vertraute, mit denen ich lachen und weinen konnte. Aber ein sehr wichtiger Punkt war auch, dass sie echte Kanadier waren. Auf meiner Schule waren sehr viele Austauschschüler, und viele von ihnen haben meistens zusammengehangen. Doch ich wollte das nicht. Nicht, weil die anderen Austauschschüler nicht nett waren, sondern einfach, weil ich mir Kanada als Land ausgesucht hatte und mich in diese Kultur so gut wie möglich einleben wollte. Und dafür ist es einfach wichtig, dass man kanadische Freunde hat, die einem zeigen, wie man als kanadischer Jugendliche so lebt. Also würde ich jedem empfehlen, sich nicht in die gewohnte Gruppe anderer Deutschen zurückzuziehen, sondern sein eigenes Ding zu machen. Ich habe somit einfach tolle Erfahrungen gemacht!

Die Beziehung zu meinen Gasteltern und auch zu meinen Gastschwestern, die nicht mehr in Belleville lebten, war super. Mein Gastvater ist einer der tollsten Menschen, die ich in meinem ganzen Leben kennengelernt habe. Wir haben stundenlange Gespräche über Geschichte und Musik geführt. Auf unseren gemeinsamen Fahrten nach Montreal zum Rest der Familie haben wir immer Led Zeppelin gehört. Laut mitsingend und mit den Fenstern unten! Jeden Sonntag hat er Football geguckt (typisch!!!) und ich habe ihn geärgert, weil ich Football dämlich findeJ

Meine Gastmutter war toll! Sie war eine Mischung aus Mutterersatz und Freundin. Wir haben Mädchensachen gemacht, alle möglichen Sendungen im TV angeguckt und uns über die Stars in Amerika lustig gemacht. Es ist wichtig, dass man von Anfang an versucht, eine gute Beziehung zu seiner Gastfamilie aufzubauen. Man muss immer versuchen, viel mit ihnen zu reden und sich richtig in das Familienleben einzugliedern. Also haben wir zusammen gekocht oder Filmabende gemacht, sind mehrmals nach Montreal (der tollsten Stadt der Welt) gefahren oder haben die Zimmer im Haus zusammen umgeräumt und gestrichen.

Ich könnte noch Seiten lang weiter über diese unfassbar gigantischen, berührenden und erlebnisreichen fünf Monate meines Lebens berichten, aber ich muss ja auch mal zum Ende kommen. Denkt dran: Ihr müsst ein bestimmtes Selbstbewusstsein besitzen und euch sicher sein, dass ihr das wollt. Aber ihr werdet stärker, selbstbewusster und, ja, auch um einiges glücklicher wieder nach Hause kommen. So viel wie in diesen fünf Monaten habe ich in so einer kurzen Zeit noch nie gelernt. Ich habe Freunde fürs Leben und eine zweite Familie in Kanada gefunden.

Überlegt es euch gut, aber zögert nicht zu überlegen! Es ist das Beste was euch passieren kann!

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